Experteninterview

Sicherheit für Herzschrittmacherpatienten

Einige leiden chronisch an Herzrhythmusstörungen und sind daher auf einen Herzschrittmacher oder implantierbaren Defibrillator, kurz ICD, angewiesen. Der Berliner Kardiologe Dr. Volker Leonhardt ist auf die Betreuung von Herzrhythmuspatienten spezialisiert und erklärt im Folgenden, wie eine kontinuierliche Fernbetreuung und eine bessere Informationsbasis den Alltag von Schrittmacher- und Defibrillatorpatienten verbessern können.

MENSCHEN, DIE EIN ERHÖHTES RISIKO HABEN, EINEN PLÖTZLICHEN HERZTOD ZU ERLEIDEN, ERHALTEN IN DER REGEL EINEN ICD. WIE STARK GREIFEN DIESE IM- PLANTATE IN DEN ALLTAG DER PATIENT/-INNEN EIN?

Die meisten können nach der Implantation ihres Schrittmachers oder Defibrillators ein normales Leben führen. Während Schrittmacherpatient/­innen ihr Gerät und die Therapien häufig gar nicht wahrnehmen, müssen ICD­Patient/­innen immer darauf gefasst sein, dass ihr ICD im Falle eines Kammerflimmerns seiner Aufgabe nachkommt und einen lebensrettenden Schock an das Herz abgibt.

Das kann nicht nur psychisch sehr belastend sein, sondern muss auch klinisch sorgfältig analysiert und aufbereitet werden. ICD­Patient/­innen müssen daher etwas engmaschiger als die Schrittmacherpatient/­innen durch die Therapie geführt werden. Nach Einsetzen des Implantats müssen Patient/­innen noch einmal gründlich untersucht werden, bevor es nach Hause geht. In der Regel kommen sie eine Woche nach der Implan­tation und danach alle drei bis sechs Monate zur Routineuntersuchung in die Praxis.

HEISST DAS, DER PATIENT ODER DIE PATIENTIN BEFINDET SICH ZWISCHEN SEINEN NACHSORGE- TERMINEN IM BLINDFLUG?

Im Rahmen der aktuellen Standardversorgung schon. Wir bieten daher grundsätzlich die Möglichkeit, sich nach ihrer Entlassung telemedizinisch von uns weiterbetreuen zu las­ sen. So können wir den Zustand unserer Patient/­innen zwischen ihren Nachsorgeterminen kontinuierlich im Auge behalten und die Funktionstüchtigkeit des Implantats fort­ laufend überwachen.

WIE FUNKTIONIERT DIE TELEMEDIZINISCHE BE- TREUUNG DER PATIENT/-INNEN DENN GENAU?

Heutige Herzschrittmacher und ICDs gleichen winzigen Hoch­ leistungscomputern. Sie können neben ihren technischen Funk­ tionen auch die Herzaktivität der Patientin oder des Patienten durchgehend überwachen und speichern. Nachts, während des Schlafs, werden die Daten mithilfe eines mobilfunkfähigen Patient/­innengerätes, des CardioMessengers, verschlüsselt an das Monitoring Service Center geleitet, ausgewertet und dem Arzt anschließend vorgefiltert online zur Verfügung ge­ stellt. So können wir jederzeit auf die tagesaktuellen Daten zugreifen und diese kontrollieren. Sollte sich der Zustand bei Patient/­innen spontan ändern, werden wir unmittelbar darüber informiert und können rasch reagieren.

IST DAS NICHT EIN SEHR KOMPLEXER VORGANG INSBESONDERE FÜR ÄLTERE MENSCHEN?

Nein, ganz und gar nicht. Die Handhabung des Home Moni­ toring Systems ist kinderleicht. Die Datenübertragung läuft völlig automatisch und ohne Mithilfe der Patientin oder des Patienten ab. Das Einzige, das die Patient/­innen zum Gelingen beitragen müssen, ist, ihren CardioMessenger vor dem Schla­fengehen geladen oder am Stromkabel auf dem Nachttisch zu platzieren. Die anschließende Datenübertragung an den Arzt läuft komplett automatisiert und dadurch auch sehr zuverlässig.

WER KANN VON HOME MONITORING PROFITIEREN – LEDIGLICH PRIVAT VERSICHERTE PERSONEN?

Nein, glücklicherweise ist die telemedizinische Betreuung nicht nur Privatpatient/­innen vorbehalten. Allerdings erstatten auch nicht alle gesetzlichen Kassen eine Fernbetreuung ­ aber es werden immer mehr. Problemlos funktioniert die Abrechnung heute schon mit der DAK und der TK. Beide Kassen bieten eine deutschlandweite telemedizinische Versorgung und erstatten die telemedizinische Betreuung zu 100 Prozent. Einige Kassen tragen die Arztkosten, nicht aber die der Patient/­innengeräte. Die telemedizinische Versorgungssituation ist also nicht einheitlich. Wir setzen uns jedoch auf den verschiedensten Ebenen ein, um Patient/­innen einen besseren Zugang zu innovativen Technologien zu ermöglichen, etwa mithilfe des Kardionetzwerks.

WAS GENAU IST DAS KARDIONETZWERK DENN?

Das Kardionetzwerk ist ein gemeinnütziger Verein, der Patient/­ ­innen leicht verständliche Informationen über Herz­Kreis­ lauf­ Erkrankungen und innovative Therapieoptionen an die Hand gibt. Auf der Internetseite des Kardionetzwerks (www. kardionetzwerk.de) können sich Patient/­innen und Angehörige umfassend informieren, welche Behandlungs­ und Versorgungs­ angebote es aktuell gibt, auch telemedizinische. Zahlreiche positive Rückmeldungen zufriedener Patient/­innen spiegeln die Bedeutung einer besseren Aufklärung und den Bedarf an vertrauenswürdigen und objektiven Informationen wider.

WELCHE ZIELE VERFOLGT DAS NETZWERK NOCH?

Wir nutzen die Plattform unter anderem dazu, Ärzte, Kranken­versicherer und Vertreter der Politik zusammenzubringen, gesundheitspolitische Herausforderungen und mögliche Lösungen zu diskutieren. Dazu zählt unter anderem das Problem, dass Ärzte nicht immer alle Leistungen erstattet bekommen, wie zum Beispiel die ärztliche Fernbeurteilung der telemetrisch übermittelten Patient/­innendaten am Bildschirm – obwohl sich diese Leistung nicht von der Datenauswertung während der Sprechstunde unterscheidet.

Darüber hinaus bieten wir Patient/­innen nützliche Informations­ angebote zu Krankheitsbildern, Diagnostik­ und Therapiever­ fahren sowie Versorgungsprogrammen der Kassen. Ergänzt wird das Angebot um Hinweise auf Informationsveranstaltungen. Zusammenfassend geht es uns darum, möglichst objektiv und umfassend zu beraten, um die medizinische Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit zu stärken, denn gut informierte Patient/­innen können besser mit ihrer Erkrankung umgehen.

WAGEN WIR EINEN BLICK NACH VORN: WO SEHEN SIE DIE PATIENT/-INNENVERSORGUNG IN ZEHN JAHREN?

Ich hoffe, dass die Telemedizin nicht erst dann ein fester Bestandteil der Implantattherapie- und ­nachsorge ist. Studi­endaten haben wiederholt und eindrucksvoll bestätigt, dass eine zuverlässige Früherkennung schwerwiegende Komplika­tionen, wie Schlaganfälle oder unerwünschte Schockabgaben, vermeiden kann. Es ist außerdem erwiesen, dass langwie­ rige Krankenhausaufenthalte verringert und das Überleben von Herzschwächepatient/­innen deutlich verbessert werden kann. Ich bin daher ein klarer Verfechter der Telemedizin. Wir betreuen mehr als 1.200 Patient/­innen telemedizinisch in unserer Praxis. Das klappt einwandfrei, weil die Technologie verlässlich funktioniert und wir unsere Prozesse frühzeitig an die neuen Gegebenheiten angepasst haben.

Gleichzeitig werden die Patient/­innen selbstbewusster. Sie möchten in die Behandlung einbezogen werden und mit­ bestimmen, wer welche Daten erhält. Ich gehe davon aus, dass die Ära des Herumtragens gedruckter Arztbriefe, der Doppeluntersuchungen und leidigen Kommunikationslücken in ein paar Jahren der Vergangenheit angehören und das Gros der Patient/­innen ihre Daten zentral in einer elektro­nischen Patient/­innenakte hinterlegt haben.

Christian Erhardt-Maciejewski