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Mit dem Erblinden kann es schnell gehen

Interview mit Dr. med. Nicola Bothe, Augenärztin und Expertin für Netzhauterkrankungen, über die Gefahren der altersbedingten Makuladegeneration und was dagegen getan werden kann.

Was passiert bei der altersbedingten Makuladegeneration?

Die Makula ist der wichtigste, zentrale Teil der Netzhaut, obwohl sie nur ungefähr fünf Prozent davon ausmacht. Nur mit der Makula können wir scharf sehen und Farben erkennen. Normalerweise funktioniert das Sehen so: Das Licht trifft auf die Sehzellen der Makula und wird danach in Bilder verarbeitet. Das erfordert einen extrem aktiven Stoffwechsel, für den die Pigmentschicht unter der Netzhaut zuständig ist. Dabei entstehen fortlaufend Abbauprodukte (Schlacken). In jüngeren Jahren kann der Körper die Pigmentschicht noch sehr gut von diesen Schlacken reinigen. Diese Fähigkeit nimmt mit dem Alter ab. Bei der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) lagern sich die Stoffwechselschlacken auf der Pigmentschicht unter der Netzhaut an, die Netzhaut kann nicht mehr von der darunterliegenden Schicht ernährt werden. Die Sinneszellen der Makula sterben nach und nach ab. Entsprechend lässt die Sehschärfe dann oft sehr schnell nach.

Wie häufig kommt das vor?

Etwa sechs Prozent der 50- bis 60-Jährigen sind betroffen, ab 70 Jahren sind es schon etwa 23 Prozent. Sogar jede(r) Dritte über 80-Jährige leidet an der AMD.

Wie äußert sich die altersbedingte Makuladegeneration (AMD)?

Bei der trockenen AMD, die rund 80 Prozent aller Erkrankungen ausmacht, sehen Betroffene langsam unschärfer und haben zunächst kleine Ausfälle im zentralen Sehfeld. Bei der feuchten Form der Makuladegeneration, die noch gefährlicher ist und etwa 20 Prozent aller Erkrankungen ausmacht, passiert zusätzlich zu dem oben beschriebenen Prozess noch mehr: Gefäße aus der unteren, ernährenden Schicht wachsen durch die geschädigte Pigmentschicht in die Netzhaut hinein. Diese Gefäße können platzen und Blutungen auslösen. Außerdem sind sie durchlässig für Flüssigkeit, die sich in der Netzhaut einlagern kann. Betroffene sehen dann gerade Linien verzehrt, Fugen von Fliesen erscheinen zum Beispiel plötzlich wellig. Wer solche Einschränkungen bemerkt, sollte sofort einen Augenarzt aufsuchen!

Welche Therapien gibt es?

Für die trockene AMD existiert leider noch keine wirksame Therapie. Bei der feuchten Form stehen inzwischen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Für einen erfolgreichen Einsatz muss die Krankheit aber früh erkannt werden, die Netzhaut darf noch nicht stark geschädigt sein. Jedes dieser Medikamente muss regelmäßig in das Auge gespritzt werden und vermindert die schädliche Gefäßneubildung in der Makula. Die Betroffenen sehen wieder schärfer und besser. Weil die feuchte AMD eine chronische Erkrankung ist, muss die Therapie häufig über lange Zeiträume fortgeführt werden. Bei etwa 80 Prozent der Fälle verbessert sich die Sehleistung wieder oder stabilisiert sich zumindest.

Welchen Rat geben Sie Senioren?

Prüfen Sie selbst Ihre Augen auf Wellenlinien, und zwar rechts und links getrennt. Wenn Sie Veränderungen bemerken, sollten Sie unverzüglich – auch trotz Corona-Pandemie – einen Augenarzt/eine Augenärztin aufsuchen. Unerkannt verschlimmert sich vor allem die feuchte AMD oft rasend schnell und man kann innerhalb von Wochen erblinden.

Dr. Julia Egleder